PRESSEINFORMATION – Berlin, 06. März 2015
Slow Food Deutschland kritisiert die neue Werbeoffensive des Discounters und fordert ihn auf, die Kampagne einzustellen. Die Attacken gegen gutes Hand- werk und die Vernebelung des Qualitätsbegriffs sind nicht hinnehmbar.
Der Lebensmitteldiscounter Lidl ist mit einer neuen Qualitätskampagne in die Offensive gegangen. Unter dem Motto „Woran erkennt man eigentlich gute Qualität?“ wirbt Lidl für sein Angebot an Brot, Fleisch, Obst & Gemüse, Kaffee, Wein und anderes mehr. Das ist sein gutes Recht. Dass Lidl dabei aber das Metzger- und Bäcker-Handwerk attackiert und den Qualitätsbegriff in höchst eigenwilliger Interpretation missbraucht, kann in diesem Ausmaß nicht hinge- nommen werden. Insbesondere versucht der Discounter, seine eigene Preis- Dumping-Strategie als Qualitätsmerkmal zu verkaufen. Zugleich inszeniert er sich als grün-faires Umwelt-Unternehmen. Dabei ist gerade Lidl nicht nur durch die Überwachung seiner eigenen Mitarbeiter aufgefallen, sondern auch durch eine jahrelange aggressive Preispolitik, die auf Kosten von Mensch, Tier und Umwelt geht. Jetzt heißt der Werbeslogan: „Qualität, Fairness und Nachhaltigkeit haben für uns oberste Priorität“.
Fairness? Mit Dumpingangeboten, die eng an den Herstellungskosten liegen? Mit einer Preispolitik, die Sozial- und Umweltstandards drücken?
Nachhaltigkeit? Mit Obst und Gemüse, die bei Rückstandskontrollen auf Pestizi- de in der Vergangenheit immer wieder negativ aufgefallen sind? Inzwischen hat man offenbar Fortschritte erzielt, aber wie nachhaltig werden die verschie- denen Billigprodukte tatsächlich hergestellt?
Qualität? Mit Fleisch aus der Massentierhaltung zu Preisen, die sich mit einer vernünftigen, artgerechten Tierhaltung nicht vereinbaren lassen?
Beispiel Fleisch: „Woran erkennt man eigentlich gutes Fleisch?“ so die rhetori- sche Frage von Lidl, die dann auch gleich beantwortet wird – mit einem Hieb gegen die letzten Metzgerei-Fachgeschäfte. Qualität erkenne man „am Ge- schmack und nicht daran, dass es jemand über die Theke reicht.“ Dann wer- den die hauseigenen Qualitätskriterien ausgebreitet: etwa das „sorgfältig aus- gewählte Sortiment“, die „kontrollierte Herkunft“, die „umfassenden Qualitäts- prüfungen“ etc. und der „gute Preis“. Aber was ist ein guter Preis? Aktuell wird ein Kilo Putenbrustfilet für 5,99 Euro angeboten. Wir fragen Lidl: Ist dieser Preis fair gegenüber Erzeugern und Bauern? Können die Produzenten davon ihr Aus- kommen fristen? Wie haben diese Tiere gelebt? Ist eine anständige Tierhaltung mit solchen Preisen vereinbar? Gilt die Putenlinie, die diese Brustfilets liefert, nicht längst als Qualzucht, deren Turbo-Schnellmast mit Gelenkschäden und vielen anderen Krankheiten sowie einem hohen Einsatz von Antibiotika erkauft wird?
Beispiel Wein: Guten Wein erkenne man, so die Lidl-Kampagne „an seiner kla- ren Farbe, seinem charakteristischen Geruch und der aromatischen Fülle (…)“. Aktuell wird ein Liter Rosé für 1,29 Euro angeboten. Wir fragen Lidl jenseits aller aromatischen Fülle: Welcher Winzer soll bei solchen Preisen überleben? Ist ein nachhaltiger Anbau im Weinberg bei diesen Kursen möglich? Ist dieser Preis fair gegenüber Mensch und Natur?
Beispiel Brot: Qualität erkenne man laut Lidl „(…) an wertvollen Zutaten, einer knusprigen Kruste und am köstlichen Duft“. Die Backwaren des Discounters kommen, so die Selbstauskunft, „aus Deutschland, Österreich, Belgien, Frank- reich und den Niederlanden“. Die Filialen werden „zum größten Teil mit tiefge- frorener Ware (…) beliefert.“ Wir fragen Lidl: Ist es nachhaltig, wenn Brot, Bröt- chen und andere Backwaren aus aller Herren Länder angekarrt werden? Ist es Qualität, wenn tiefgefrorene Massenware aufgetaut und in den Ofen gescho- ben wird? Und was ist mit den Zusatzstoffen in Brot und Brötchen? Hat Qualität bei Backwaren nicht doch mit echter Frische zu tun, mit selbst angesetzten Tei- gen, die lange Geh- und Standzeiten haben? Bedeutet Qualität womöglich richtiges Backen und nicht nur Teiglinge im Ofen hochheizen?
„Die neue Kampagne von Lidl ist eine Diskriminierung guter, ehrlicher und sau- berer Handwerksbetriebe, die tatsächlich Qualität liefern. Sie streut den Kunden Sand in die Augen. Und sie vernebelt den Qualitätsbegriff“, bilanziert Ursula Hudson, die Vorsitzende von Slow Food Deutschland. Qualität, so Hudson, habe auch mit den inneren Werten eines Produkts zu tun. Qualität erfordere eine faire Bezahlung aller Beteiligten und anspruchsvolle Sozial- und Umwelt-Standards. „Wer Fruchtjoghurts für 29 Cent verkauft, der sollte ganz schnell aufhören, über Fairness und Nachhaltigkeit zu reden!“ Slow Food Deutschland fordert Lidl auf, seine Kampagne einzustellen und seine Sortiments- und Preispolitik von unab- hängigen Sachverständigen auf tatsächliche Fairness, auf Nachhaltigkeit und Qualität überprüfen zu lassen.
„Eigentlich wissen wir doch alle ganz genau, was gut für uns ist“, heißt es in ei- nem Werbespot des Unternehmens. Lidl und seine Dumpingpreise sind jeden- falls alles andere als gut für uns. Das weiß auch Lidl. Das wissen wir alle! Woran erkennt man eigentlich gutes Fleisch und gutes Brot? Vielleicht einfach daran, dass es nicht von Lidl kommt?