Workshop an HfWU befasste sich mit Reform des Agrarwesens. In der Landwirtschaft bedarf es eines Systemwechsels – darin waren sich die Teilnehmer eines Workshops an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt (HfWU) in Nürtingen einig. Die Regionalwert AG praktiziert diesen Wechsel bereits in Freiburg. Die Teilnehmer erfuhren, wie das Modell funktioniert.
NÜRTINGEN (pm). Kontrovers diskutiert wurde, ob das Modell auch in der Region realisierbar wäre.
Das Saatgut für den Kohlrabi stammt aus China. Die Stecklinge vom Niederrhein. Der Torf, in dem sie wachsen, kommt aus Russland. Der Dünger aus der Ukraine. Arbeiter aus Bulgarien ernten das Gemüse. Nur großgezogen und vermarktet wird es von einem Bauern vor Ort. „Das nennen wir dann regional“, sagte Christian Hiß. Mit nachhaltiger regionaler Landwirtschaft hat das für den Gründer der Regionalwert AG nichts zu tun. Im Rahmen eines Studium-generale-Workshops an der HfWU stellte er seine Vision einer zukunftsfähigen Landwirtschaft vor.
Die Regionalwert AG in Freiburg ist eine Bürgeraktiengesellschaft. „Es geht darum, das Beste von traditionell-bäuerlicher, industrieller und ökologischer Landwirtschaft zu einem neuen Typ von Land- und Ernährungswirtschaft zusammenzuführen“, so Hiß. Der Vordenker und -macher ist keineswegs allein auf weiter Flur. Inzwischen ruft sogar die Deutsche Landwirtschaftsgesellschaft (DLG) nach einem Systemwechsel.
Was die Regionalwert AG in der Region Freiburg und mittlerweile in noch drei weiteren Regionen in Deutschland realisiert, ist ein „Wertschöpfungsraum“. Dabei werden Wertschöpfungsketten in der Region geschaffen und auf diese begrenzt. Unter dem Dach der AG, die von Bürgern der Region getragen wird, sind eigenständige Landwirte, Weingüter, Obstbauern und Schweinezüchter versammelt. Die Regionalwert AG beteiligt sich zudem an landwirtschaftlichen Forschungs- und Immobiliengesellschaften und Beratungsunternehmen. Neben den landwirtschaftlichen Betrieben und den Dienstleistungseinrichtungen sind die Vermarktung und die Verarbeitung weitere Säulen der Kooperationsgemeinschaft.
So arbeitet die Organisation mit dem Großhandel zusammen, betreibt und finanziert Biomärkte und unterstützt Direktvermarkter. Das Gleiche gilt für gastronomische Betriebe und Biomanufakturen. „Wir bieten eine Alternative zum engen betriebswirtschaftlichen Denken in den Grenzen eines Einzelbetriebs“, erklärte Hiß. Für ihn ist zentral, dass in eine Bilanz das Natur-, Sozial- und Regionalvermögen mitein`ließt.
Wie aber ließe sich all dies hier vor Ort umsetzen? Oder ist die Regionalwert AG nur etwas, das gut zur Region Freiburg mit seiner landwirtschaftlichen Struktur und der Offenheit der Bürger passt? Diese Fragen standen im Mittelpunkt der Diskussion. Zu der Veranstaltung unter Leitung von HfWU- Professor Roman Lenz waren Experten von Fachverbänden, Vermarktern, vor allem aber auch Landwirte gekommen.
Viele der Bauern teilten die Einschätzung, dass das in weiten Teilen vor allem an Mengen und Preis orientierte System Landwirtschaft einer grundlegenden Reform bedarf. Gleichzeitig mache es aber gerade der enorme Produktionsdruck fast unmöglich, im Alltag noch Zeit und Energie zu finden, alternative Produktionsweisen zu entwickeln.
Gerade auch diesen Schritt erleichtere die Organisationsform der Regionalwert AG, so Christian Hiß. Denn mit der AG profitierten die Landwirte von der funktionalen Teilung in Produktion, Dienstleistungen, Verarbeitung und Vermarktung. Grundsätzlich sehe er in der Region Potenzial für einen solchen Au`bruch. Allerdings, so ein Fazit der Diskussion, bedarf es für einen derartigen Paradigmenwechsel vor allem engagierter Einzelpersonen, wie den mehrfach als Social Entrepreneur und „Übermorgenmacher“ ausgezeichneten Hiß.