Einmal wöchentlich ist in Echterdingen Ochsentour. Immer wieder freitags – dann, wenn sich zum Abend hin die Türen der historischen Gaststätte zum Ochsen in der Bernhäuser Straße öffnen und das große Schmausen beginnt. Auf der Karte findet sich – im wöchentlichen Wechsel – alles, was Schwaben gerne haben: Rostbraten, Maultaschen, Fleischküchle, Saure Nierle und Kutteln, geschnetzelte Leber, Bratwürste, Ofenschlupfer. Alles wunderbar traditionell und bodenständig, ganz wie aus Omas Pfanne oder Tiegel.
Auch Atmosphäre und Ambiente entführen den Gast in jene vergangenen Zeiten, die für den Großteil der Besucher die goldenen waren: Knarzende Dielen und Holztische, eine Nostalgietheke, ein Jägerzimmer, natürlich voller Geweihe, ringsum historische Fotografien und Bilder, und gleich rechts vom Eingang der Stammtisch samt großem Kachelofen – Achtung: Den Platz auf der Bank direkt neben dem Ofen unbedingt für Stammgäste freihalten!
Voll ist es im Ochsen fast immer, ab und an ist er auch ausgebucht. Selbst dann, wenn auch die heimeligen Räume im ersten Stock, dort, wo einstmals die Wirtsleute wohnten, geöffnet werden. Also sitzt, schwäbisch: hockt, man dicht auf dicht, kommt schon beim ersten Viertele oder Fassbier – bestes Gruibinger Lammbräu, unbedingt probieren! – mit dem Nachbarn ins Gespräch.
Wenn man’s gut trifft, kommt man neben einen Einheimischen, einen „altgedienten“Echterdinger zu sitzen, der zu erzählen weiß, wie das alles so gekommen ist mit dem Ochsen, seinem bevorstehenden Ende und seiner wundersamen Auferstehung.
Anno 1996 schien des Ochsens Schicksal endgültig besiegelt. Seit 1879 war er von den Familien Fetzer und Gerster geführt worden und im Lauf der Jahrzehnte zur Echterdinger Institution geworden. Generationen von Echterdingern hockten hier bei Vesper und Viertele beieinander, am Stammtisch trafen sich die Bauern, Viehhändler und Handwerker des Ortes und nach den Markttagen waren ein Teller Kutteln oder eine mächtige Marktbratwurst im Ochsen fast schon Echterdinger Bürgerpflicht. Hier fanden sich Platz und Zeit für Begegnungen, für Diskussionen über Krautanbau, Viehhaltung, Absatzmöglichkeiten und Politik, für Ortstratsch und manch derben Witz.
Ein geliebtes Stück Heimat also – und als es verloren zu gehen drohte, machte sich eine Schar von wackeren Schwaben daran, es zu retten. Durchweg treue Stammgäste, unter ihnen Hans Huber. Arzt, Historiker, Heimatkundler, Kommunalpolitiker – eine Echterdinger Institution und an vorderster Front dabei. Ein „Verein zur Erhaltung der historischen Gaststätte Ochsen in Echterdingen“, der rasch 40 Mitglieder hatte, wurde gegründet und übernahm schließlich den Ochsen in Pacht von der Familie Gerster. Die Rettung war geglückt.
Heute, gut 20 Jahre später sind es circa 120 Ochsenfreunde, die als Vereinsmitglieder dafür sorgen, dass in ihrem „Wirtschäftle noch immer gespeist, getrunken, geschwätzt und gesungen wird. So ganz ohne professionelle Hilfe geht das freilich nicht. Köchin und Wirtschafterin Jutta sorgt für besten Schwaben-Schmaus und dafür, dass der Wirtschaftskontrolldienst nichts zu meckern hat. Alles Übrige übernehmen die Vereinsmitglieder: Die Unterstützung der Köchin, den Ausschank, den Service.
Neue Gäste sind im Ochsen stets willkommen – das gilt, wie der Schreiber dieser Zeilen bezeugen kann – auch uneingeschränkt für Nicht-Schwäbisch-Schwätzende. Zusätzlich zu den Freitagabenden wird an jedem zweiten Mittwoch im Monat an die Tradition des Wirtshaussingens angeknüpft und zum Ochsen-Stammtisch gebeten, bei dem erst gevespert und dann gesungen wird: Von der „Schwäbische Eisebahne“ bis zu „Marmor, Stein und Eisen bricht.“ Außerdem kommen anlässlich der Krämermärkte im November und Februar der Tradition gehorchend Saure Kutteln und Marktbratwürste auf den Ochsentisch, und beim Haus- und Hoffest
im August sowie beim Krautfest kommt der Ochsen regelmäßig an seine Kapazitätsgrenze. Dann ist stets auch der umgebaute Schäferwagen unterwegs, der als „Ochsenaußenstelle“ auch auf dem Weihnachtsmarkt die Stellung hält. Und wer Lust hat, Hochzeit oder Geburtstag auf urschwäbisch zu feiern, kann sich gerne in Echterdingens Nostalgie-Gasthaus einloggen.
Aus: viaLE Das Magazin für Leinfelder-Echterdinger und seine Gäste