Artikel aus dem Reutlinger General-Anzeiger, von Julie-Sabine Geiger:
Den Hütern der Vielfalt ist es zu bunt geworden. Jahrelang schon machen Professor Dr. Roman Lenz von der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geisingen und der Lauteracher Linsenpionier und Förderer alter Kulturpflanzen Woldemar Mammel auf die Notwendigkeit aufmerksam, die Pflanzenvielfalt, explizit die alten Gemüsesorten zu erhalten.
Damit verbunden waren schon immer Appelle, das Wissen in einer zentralen Stelle zu sammeln und zu sichern, die Gärtner der Vielfalt zusammenzubringen und das Saatgut zugänglich zu machen, weil es in Zeiten, in denen sich das Züchterinteresse auf wenige marktgängige Sorten konzentriert, die genetischen Reserven zu sichern gilt. Zudem sind historische Tomaten-, Bohnen-, Mangold-, Pastinaken- und erst recht Kartoffelsorten kulinarische Schätze.
Land lässt Gemüse links liegen
Umsonst. Sogar die letztjährige Lehrstunde über Biodiversität am Schaulinsenfeld in Lauterach, gehalten für Baden-Württembergs Landwirtschaftsminister Alexander Bonde von Woldemar Mammel und seinen Mitstreitern, hatte offensichtlich keinen nachhaltigen Eindruck hinterlassen. Dabei hatten Mammel und seine Mannschaft eindringlich auf das längst fällige Muss einer regionalen Koordinierungsstelle für alte Kulturpflanzen nach dem Vorbild des 1989 in Österreich gegründeten Vereins »Arche Noah – Gesellschaft für die Erhaltung der Kulturpflanzenvielfalt und ihre Entwicklung« hingewiesen. »Ein Genbänkle fürs Ländle«, in dem die Vielfalt und ihre Förderer aufgelistet und für alle zugänglich werden, bevor noch mehr Sorten von der Bildfläche verschwinden.
Besser in Gärten als in Genbank
Jetzt haben es die Förderer der Vielfalt selbst in die Hand genommen und das Projekt »Genbänkle« selbst eingetopft. Ohne Hilfe vom Land. Lenz: »Der Minister redet seit sechs Jahren, dass er kein Geld habe.« Für den Obstbau engagiere sich das Land mit einem Kompetenzzentrum in Bavendorf, aber der Gen-erosion im Gemüsebau werde tatenlos zugesehen. »Im Gemüsebereich gibt es keine staatliche Stelle«, moniert deshalb Roman Lenz. Das Projekt »Genbänkle« – der Experte hört den Begriff nicht gerne –, das den Bestand von alten und seltenen Gemüsesorten in Baden-Württemberg sichtbar machen soll, ist deshalb spendenfinanziert. Lenz beziffert die Kosten einer solchen Dokumentationsstelle auf 500 Euro im Monat. »Wir wollen die alten Gartenkulturen weder in Schachteln noch in den Kühlschrank stecken«, betont der Agraringenieur, der die Vielfalt von Tomaten, Bohnen und Roten Rüben lieber in den Gärten als in Genbanken sehen will.
In einer ersten Phase des Projekts soll eine Kontaktliste für Baden-Württemberg erstellt werden. Dem soll eine Datenbank womöglich mit Online-Landkarte folgen. Dass Tschechische Frühe (Aubergine), Fino Eichstetten (Fenchel) oder die Tomate mit dem klangvollen Namen Quedlinburger Frühe Liebe als Saatgut, Pflanze oder sonnengereift beim deutschen Ableger der Schweizer gemeinnützigen Gesellschaft für die kulturhistorische und genetische Vielfalt ProSpecieRara zu haben sind, hat – wer danach sucht – dann ruckzuck auf dem Schirm. Die Organisation, die im Samengarten Eichstetten am Kaiserstuhl traditionelle Sorten anbaut, um sie unter dem ProSpecieRara-Gütesiegel wieder in die Läden zu bringen, hat sich dem Projekt umgehend angeschlossen, berichtete Lenz.
Hoffen auf lange Laufzeit
Als weitere Hüter alter Kulturpflanzen zählt Roman Lenz die Freilichtmuseen wie das in Beuren auf. Engagierte Erhalter wie Klaus Lang, der in seinem auf 650 Meter Höhe gelegenen Garten in Wolfegg alte Gemüse-, Kräuter-, Heil- und Nutzpflanzen zieht und auch eine Saatgutliste weitergibt. Für Baden-Württemberg schätzt Lenz rund 200 Stellen, die sich mit alten Nutzpflanzen beschäftigten. »Die wissen nicht immer voneinander.« Das soll sich mit dem Netzwerk ändern. Damit auch das Wissen, wer sich um was kümmert. »Je länger das Projekt laufen kann, desto mehr Sorten kommen auf die Liste«, hofft Lenz auf weitere Sponsorenzusagen. (GEA)
Projekt Genbänkle
Das Projekt »Genbänkle« hat das Ziel, Initiativen und Organisationen in Baden- Württemberg, die sich mit alten und seltenen Gemüsesorten befassen, aufzulisten und zu vernetzten. Projektpartner sind die Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen (Professor Roman Lenz), der Alblinsen-Förderverein (Woldemar Mammel) und »Die Agronauten« (Roman Lenz und Dr. Philipp Weckenbrock, Forschungsgesellschaft für nachhaltige Landwirtschaft«).